Gustav Theodor Fechner


Kurzbeschreibung seiner Philosophie

Gustav Theodor Fechner (1801–1887), deutscher Philosoph, Professor in Leipzig, erst für Physik, dann für Philosophie. Begründete die Psychophysik, die experimentelle Psychologie und die experimentelle Ästhetik. Arbeitete anfänglich auch als Übersetzer physikalischer und chemischer Fachbücher, gab ein achtbändiges Hauslexikon heraus und schrieb unter dem Pseudonym Dr. Mises satirisch-humoristische Geschichten.

Fechner ging davon aus, dass im naturwissenschaftlichen Zeitalter die Philosophie auf Naturwissenschaft und Empirie zugehen müsse, ansonsten sie ihre Bedeutung verlieren würde. Ein Ergebnis dieses Prozesses war die »Induktive Metaphysik«. Diese unterscheidet sich von der Metaphysik der Antike und des Mittelalters dadurch, dass man von der Erfahrung ausgeht, dann aber über sie hinauszugelangen sucht. Aus wissenschaftlichen Einzelbeobachtungen glaubt man  induktiv metaphysische Aussagen herleiten zu können. Diese hätten nur einen  hypothetischen Charakter, äußerten also Vermutungen, während die alte Metaphysik sicheres, beweisbares Wissen sein wollte. [Dass die »Induktiven Metaphysiker« keine Absolutisten waren, wie diese Aussage vermuten lässt, ist aber zweifelhaft.] Metaphysik und Wissenschaften sollten komplementär sein, Metaphysik solle wissenschaftliche Einzelergebnisse verallgemeinern und so ein Gesamtbild der Welt erstellen.

Fechner strebte nach einer philosophischen Ausgestaltung des religiösen Glaubens, die auch für naturwissenschaftlich denkende Menschen annehmbar sei.

Drei Regeln der induktiven Metaphysik:

  1. Analogieschluss: Wenn Gegenstände in einigen Punkten übereinstimmten, könne man annehmen, dass sie auch in anderen Punkten übereinstimmten. (In der  Evolutionären Erkenntnistheorie ist das die »Vergleichshypothese«.) [Auf diese Weise komme ich z. B. zu der  Hypothese, dass auch die anderen Menschen ein Bewusstsein haben.]
  2. Pragmatismus und  Utilitarismus: (Unabhängig davon, ob Fechner diese Begriffe benutzt.) Je mehr Glück eine Auffassung bei den Menschen erzeuge, um so eher könne man sie als richtig ansehen. [Was ja wohl bedeuten soll, dass ein auf einer Auffassung aufbauendes Handeln erfolgreich ist. Kriterium des Erfolgs: Glück.]
  3. Haltbarkeit: Wenn sich eine bestimmte Auffassung lange halte und bei steigender Kultur an Verbreitung zunehme, werde sie wahrscheinlich wahr sein.

Allbeseelung: Mit diesen Methoden kommt Fechner zu Auffassungen, die vielfach – aber nicht in allen Punkten – an Spinoza und Leibniz erinnern. Sowohl den Lebewesen – Menschen, Tiere und Pflanzen –, als auch den unorganischen Dinge, von den Atome bis zu den Gestirne, seien Seelen zugeordnet. Auch die Erde sei ein beseeltes Wesen. [Das erinnert an »New Age«.]

Psycho-physischer Parallelismus: Psychisches und Physisches bestünden neben einander, seien nicht identisch, aber es gebe eine durchgehende Parallelität zwischen psychischen und physischen Vorgängen. [Das ist  Dualismus und damit nicht mehr Spinoza. Welche Probleme ein dualistische Weltbild mit sich bringt, sah man bei Descartes und den Okkasionalisten.]

Tagansicht und Nachtansicht: Für die Naturwissenschaft und viele philosophische Systeme sei die Welt außerhalb der Mensch- und Tierseele dunkel und still. »Nachtansicht« nennt Fechner eine solche Auffassung. In seiner »Tagansicht« ist die Welt von Farben und Klängen durchwebt. Wenn bestimmte Lichtwellen in uns die Vorstellung »Rot« hervorriefen, warum dann nicht auch in der Welt? (Analogieschluss)

Ethik: Große Ähnlichkeit zu  Epikur. Ziel des Lebens sei Lust und Vermeidung von Unlust. Es gebe aber nicht nur sinnliche Lust, sondern auch Freuden der Seele. Fechner empfand es als sittliche Pflicht soviel Glück wie möglich zu schaffen und soviel Leid wie möglich zu lindern. Er glaubte, dass es in der Welt eine Entwicklung zu größerer Harmonie und Glück und zu geringerem Leid gebe. [Damit kann ich voll übereinstimmen.]

Er sah diese Entwicklung von der »Unvollkommenheit zur Vollkommenheit« aber als notwendig an. In der Frage der Willensfreiheit vertrat Fechner den Determinismus. [Damit stimme ich nicht mehr überein.]

Wir hätten gute Gründe zu glauben, dass unsere Seele unsterblich sei. Wenn unsere Empfindungen in unserer Seele fortleben, warum sollten sie dann nicht in der Weltseele fortleben? (Analogieschluss)

Ähnliche Auffassungen findet man bei dem mit Fechner befreundeten Lotze.


Meine Kritik an Fechner

Der Pantheismus ist mir plausibel aber nicht die Fortexistenz der Einzelseelen. Wenn ich einmal, was ja schon hypothetisch ist, die Fortexistenz der individuellen Bewusstseinsinhalte nach dem Tod des Körpers in Erwägung ziehe, dann ist es mir plausibler, dass sie in eine Weltseele eingehen, dass die Einzelseele konturlos in der Weltseele aufgeht. »Seele« ist auch bei Fechner der Begriff für eine gewisse Menge oder Gruppe von Bewusstseinsinhalten. Fortexistenz der Einzelseele würde bedeuten, dass eine solche Gruppe von Bewusstseinsinhalten auf Dauer von anderen Gruppen, sprich von den anderen Einzelseelen, getrennt bliebe. D. h. alle Bewusstseinstatsachen, Vorstellungen etc., die zu einer bestimmten Gruppen gehören, hätte für alle Ewigkeit eine besondere Beziehung zueinander und eine besondere Abgrenzung zu anderen Gruppen von Bewusstseinselementen. Und das ist mir nicht plausibel. (Abgesehen mal davon, dass es sowieso völlig spekulativ ist.)

Wenn man nun davon ausgeht, dass jedes Tier und jede Pflanze eine Seele hat, dann würden nicht nur Milliarden von menschlichen Einzelseelen für alle Ewigkeit fortbestehen, sondern auch – abgestuft in ihrer Qualität !!! – Trilliarden von Affen-, Hunde-, Drossel- und Flohseelen etc. Von jedem Grashalm, der jemals existiert hat, gäbe es für alle Ewigkeit eine ganz spezifische Grashalmseele. Jedes Bakterium, jedes Schnupfenvirus, jedes Antikörperchen, von denen es in einem Blutstropfen Milliarden gibt usw. usf.

Und wenn auch ein Stein eine Seele hat, was passiert mit der, wenn ich den Stein in tausend Teile zertrümmere? Von jedem Molekül bleibt die Seele erhalten? Von jedem Atom, Elektron, Neutron. Quark.

Literatur:

Kleine Auswahl aus den philosophisch interessanten Schriften


Zur philolex-Startseite


Copyright © by Peter Möller, Berlin.