Analytische Philosophie


Analytische Philosophie kurz und knapp

Die Analytische Philosophie wird auch »Logischer Positivismus«, »Logischer Empirismus«, »Common Sense Philosophy«, »Ordinary Language Philosophy« und  »Neopositivismus« genannt. Sie war die bedeutendste philosophische Strömung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zuerst in den angelsächsischen Ländern, dann auch auf dem europäischen Kontinent.

In verschiedenen Lexika und Lehrbüchern wird unter dem Oberbegriff »Analytische Philosophie« verschiedenes subsumiert. In einigen wird die gesamte Sprachphilosophie und der Neopositivismus dazugerechnet. In andere wird darunter die ursprünglich in den angelsächsischen Ländern einflussreiche Weiterentwicklung oder Fortführung des Neopositivismus verstanden.

Wie der Name sagt, will diese Philosophie analytisch sein, will Sachverhalte systematisch erforschen. Orientiert ist sie dabei an den empirisch-naturwissenschaftlichen Einzelwissenschaft. Wie dort soll auch in der Philosophie logische Stimmigkeit, intersubjektive Überprüfbarkeit, Eindeutigkeit und erkennbarer Fortschritt als Kriterien für Wahrheit gelten. Faktisch ist es so, dass sich die analytische Philosophie aber weniger mit Dingen, Sachverhalten, Ereignissen, Beziehungen, Eigenschaften etc. beschäftigt, sondern mit Aussagen,  Begriffen, Prinzipen und deren Sinnerklärung.

Im Gegensatz zur bisherigen Philosophie ist in der Analytischen Philosophie die Sprachphilosophie der wichtigste, wenn nicht sogar der einzige Bestandteil der Philosophie. Man ist bestrebt, die Bedeutung von Begriffen und Aussagen zu klären, Kriterien zu entwickeln um sinnvoll über Wahrheit reden zu können und künstliche Sprachsysteme, ideale Modellsprachen, Objektsprachen oder Metasprachen zur (logischen) Analyse philosophischer und einzelwissenschaftlicher Problemstellungen zu entwickeln.

Dieser von der Analytischen Philosophie vorgenommene »linguistic turn« (»Wendung zur Sprachanalyse«) ist ein wichtiges und folgenschweres Ereignis in der Philosophie des 20. Jahrhunderts. Philosophie wurde vielfach auf Sprachanalyse und Linguistik reduziert, große Teile dessen, was bisher zur Philosophie gehörte, wurde von vielen Philosophen aus der Philosophie »verstoßen«, z. B. Ethik, Ästhetik, Metaphysik, das Leib-Seele-Problem.

Die analytische Philosophie will nicht ganze philosophische Systeme oder Theorien aufstellen. Nach  Ryle sollen »die philosophischen Überlegungen [...] unsere Kenntnisse ... nicht vermehren, sondern die logische Geographie dieses Wissens berichtigen.« (Zitiert nach dtv-Atlas Philosophie, S. 219.) [Das Erkennen der »richtigen« logischen Geographie unseres Wissen ist eine Vermehrung unserer Kenntnisse.]

Kritik der Metaphysik: Die bisherige Philosophie habe sich größtenteils mit Scheinproblemen beschäftigt, die sich aus einer Ungenauigkeit unserer Sprache ergeben hätten, bzw. daraus, dass die benutzten Wörter keinen empirischen Gehalt hätten, z. B. das Wort »Gott«. Sätze wie »Gott existiert« oder »Gott existiert nicht« seien gleichermaßen sinnlos. Die Frage, ob die Welt primär ein geistiger oder ein materieller Tatbestand ist, sei ein Scheinproblem. [?]

Die Metaethik oder sprachanalytische Ethik wird nicht zur Ethik gerechnet, sondern soll eine wertneutrale, wissenschaftliche Untersuchung vorhandener ethischer Aussagen und Begriffe ermögliche. Sie fügt der Ethik keine neuen Aussagen hinzu. Gefragt wird nicht danach, was gut und böse ist, sondern was die Begriffe gut und böse in den verschiedenen Ethiken bedeuten.


Vertreter der Analytische Philosophie

Nicht alle hier aufgeführte Personen haben sich selbst als Vertreter der analytischen Philosophie angesehen, werden in der Literatur aber in der Regel dieser Richtung zugerechnet. Es gibt zwischen ihnen zum Teil beträchtliche Differenzen. Einige der hier aufgeführten Personen sind im philolex auch schon anderen Richtungen zugeordnet worden, z. B. dem  Neopositivismus.


Austin, John Langshaw. (1911–1960) Englischer Philosoph, Hauptvertreter der analytischen Sprachphilosophie. Unterscheidet verschiedene Funktionen der Sprache, Sprachhandlungen und Arten von Sprechakten. Deskriptive (beschreibende), konstative (feststellende) und performative Akte. (Letzteres eine Äußerung, die eine Handlung wiedergibt und gleichzeitig vollzieht). Lokutionäre (Artikulation, Konstruktion und Logik der Sprachhandlung), illokutionäre (Sprachhandlungen mit kommunikativer Funktion) und perlokutionär (Sprachhandlungen, die eine Wirkung auf den Hörer haben). Sprachanalyse erstreckte sich auch auf Bereiche, in denen es um Werte gehe, also auf Ethik und Religion.

Alfred Jules Ayer. Siehe Extraseite.

Rudolf Carnap. Siehe Extraseite.

Frege, Friedrich Ludwig Gottlob (1848–1925). Deutscher Philosoph, Mathematiker und Logiker. Professor in Jena. Der eigentliche Begründer der modernen Logik und Begründer der Sprachanalyse. Hatte eine große Bedeutung für die Philosophie des 20. Jahrhunderts, besonders im angelsächsischen Raum. Beeinflusste Wittgenstein. Hauptwerk: Grundgesetz der Arithmetik, 1893–1903. Werk zur Sprachanalyse: Über Sinn und Bedeutung, 1892.

Goodman, Nelson (1906–1998). Amerikanischer Philosoph. Führender Vertreter der Analytischen Philosophie. Beeinflusst von Carnap und Cassirer. Die »Goodman-Paradoxie« ist eine neue Sichtweise des  Induktionsproblems.

George Edward Moore. Siehe Extraseite.

Hilary Putnam (geb. 1926). Amerikanischer Philosoph, der sich mit Sprachphilosophie, Philosophie des Geistes und Philosophie der Mathematik beschäftigt. Hat des Öfteren seine Positionen grundlegend geändert. Was Lernfähigkeit zeigt, aber eine Darstellung seiner Positionen erschwert. Verglich den menschlichen Geist mit dem Computer (Funktionalismus), rückte davon später aber ab. Vertrat zeitweilig  realistische, zeitweilig  idealistische Vorstellungen. Aber auch, das dies alles Scheinprobleme seien. Bekannt ist er wegen seiner Überlegungen, ob das Gehirn in einem Tank existiert.

Quine, Willard van Orman (1908–2000). Amerikanischer Sprachphilosoph, Logiker, Mathematiker und Erkenntnistheoretiker. Dogmatiker: Ließ auf seiner Schreibmaschine das Fragezeichen entfernen, mit der Begründung, er beschäftige sich nur mit Dingen, die sicher seien. Griff die traditionelle Theorie der Bedeutung an. Durch die Verknüpfung von Äußerungen mit empirischen Reizen (Reizbedeutung) würden wir Sprache erwerben. Hauptwerk: Wort und Gegenstand.

Bertrand Russell. Siehe Extraseite.

Ryle, Gilbert (1900–1976). Bedeutender Englischer Philosoph. Vertreter der Analytische Philosophie und/bzw. der »Ordinary Language Philosophy«. Herausgeber der Zeitschrift mind. (1948–71) Entwickelte eine nichtformale Logik der Umgangssprache. Verwarf den  cartesischen Dualismus von Leib und Geist, durch Ignorierung des Letzteren. Hauptwerk: The concept of mind, 1949. (dt. Der Begriff des Geistes.)

Stevenson, Charles Leslie (1908–1979). Amerikanischer Philosoph, Vertreter des Emotivismus.

Strawson, Peter Frederick (1919–2006). Vertreter der Philosophie der normalen Sprache. Metaphysik war für ihn die Beschreibung der Struktur des menschen Denkens über die Welt.

Wisdom, John (1904–1993). Bedeutender englischer Philosoph. Vertreter der Philosophie der normalen Sprache. Lehnte Metaphysik nicht so schroff ab, wie andere Vertreter der Analytischen Philosophie.

Ludwig Wittgenstein. Siehe Extraseite.


Meine Kritik an der Analytischen Philosophie

Eine katastrophale Reduktion des Philosophiebegriffs! Was sich hier zeigt, ist eine mangelnde Sensibilität elementaren philosophischen Fragen gegenüber. »Warum gibt es überhaupt etwas?« Handelt es sich bei dieser Frage um ein Scheinproblem? Oder entsteht diese Frage nur wegen einer Ungenauigkeit der in dieser Frage verwendeten Wörter? Das bezweifle ich sehr. Ich erlebe mich unmittelbar als Körper und Geist. Egal welche Wörter ich auch immer für diese beiden Erlebnisse benutzen mag. Die Frage, welches von beiden das Primäre ist, mag nicht beantwortbar sein. Aber es ist kein Scheinproblem. Existiere ich nur in der von mir jetzt wahrgenommenen Wirklichkeit, oder gibt es weitere »Wirklichkeiten«? Werde ich nach meinem Tode fortexistieren? Ethik und Ästhetik haben in dieser »Philosophie« auch keinen Platz.

Weitere Kritik in den philolex-Beiträgen zu den einzelnen Vertretern der Analytischen Philosophie.


Zitate zur Analytische Philosophie

Hans Albert: »In der Entwicklung der analytischen Philosophie sind ungefähr alle früheren philosophischen Positionen und Probleme wieder aufgetaucht, gewissermaßen in ›analytischer Maskerade‹. Sie werden jetzt nur mit den Mitteln der modernen Logik behandelt. Man kann heute im Rahmen der analytischen Philosophie Neoempirist, Kantianer oder sogar Existenzialist sein.« Zitat aus Aufklärung und Kritik 2/2002.

Karl Popper: »Ein Philosoph, der sich sein Leben lang mit der Sprache beschäftigt, ist wie ein Zimmermann, der seine ganze Arbeitszeit damit verbringt, seine Werkzeuge zu schärfen.«


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