Martin Luther – Reformation – Protestantismus

Mit der Reformation ist es wie mit dem Christentum als Ganzem. Sie hat mit Philosophie eigentlich nichts zu tun, ist aber wegen ihrer Wirkung auf Geschichte und Philosophie der letzten 500 Jahre von philosophischem Interesse.

Obwohl es sich bei den Reformatoren nicht um fortschrittliche, aufklärerische, vernünftige Menschen gehandelt hat, hat die Reformation durch die Brechung der Allmacht der Katholischen Kirche und durch die höhere Bewertung der Einzelpersönlichkeit an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit entscheidenden Anteil gehabt.


Martin Luther

Martin Luther (1483–1546) war kein Philosoph oder Wissenschaftler. Schon gar nicht war er ein rationaler Kritiker katholischer Orthodoxie. Er war ein religiöser Fanatiker. Der Herkunft nach war er ein Bauern- bzw. Bergmannssohn, dessen zu Wohlstand gekommener Vater ihn eigentlich für das Jura-Studium vorgesehen hatte. Auf Grund eines starken religiösen Bedürfnisses studierte er aber Theologie, wurde Augustinermönch und machte anfänglich Karriere in der Kirchen- und Hochschulhierarchie.

Am 31. 10. 1517 schlug er seine berühmten 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche von Wittenberg, um unter anderen gegen den Ablasshandel zu protestieren. (Die Katholische Kirche vertrieb damals, gegen cash selbstverständlich, Ablassbriefe, mit denen man die Seele eines schon verstorbenen Menschen aus dem Fegefeuer freikaufen konnte. Auch für noch nicht begangene Sünden konnte man sich im Voraus Absolution erkaufen.) [Verkaufsgespräch im Mittelalter: »Grüß Gott! Ich möchte den Papst umlegen. Wieviel muss ich denn dafür hinblättern?«]

Nach einigem Hickhack vollzog er die Trennung von der Katholischen Kirche am 10. 12. 1520 mit der Verbrennung der päpstlichen Bannbulle und einiger scholastischer Schriften.

In der Folgezeit entstanden die drei reformatorischen Hauptschriften:

  1. An den christlichen Adel deutscher Nation
  2. Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche
  3. Von der Freiheit eines Christenmenschen

1525 trennte sich Luther von drei mit ihm sympathisierenden Richtungen:

Punkte, in denen sich die evangelische Dogmatik von der katholischen unterscheidet:

Schuldkomplexe: Aus seinem Verhalten und seinen Schriften lässt sich rückschließen, dass Luther unter starken Schuldkomplexen litt. (Aus der Literatur über ihn ist zu entnehmen, dass er Schwierigkeiten mit der Einhaltung des Zölibats hatte.) Von einem starken Schuld- und Sündengefühl beladen, hatte er ein starkes Erlösungsbedürfnis, glaubte aber bereits, von Gott verworfen worden zu sein. [Siehe dazu z. B. Ditfurth, Innenansichten ..., Kapitel: Leben und Zeit,  »Versündigungswahn«.] [1]

Luther verabscheute die Vernunft, die er als »Teufelshure« bezeichnete. »Wenn ich weiß, dass es Gottes Wort ist [woher weiß er das eigentlich?] und Gott also geredet hat, so frage ich danach nicht weiter, wie es könne wahr sein, und lasse mir allein an dem Worte Gottes genügen, es reime sich mit der Vernunft, wie es wolle. Denn die Vernunft ist in göttlichen Dingen stock- und starblind; vermessen ist sie genug, dass sie auch darauf fällt und plump hinein wie ein blind Pferd; aber alles, was sie örtert und schleusst, das ist so gewisslich falsch und irrig, als Gott lebet.« (Zitiert nach Störig, S. 287f.)

Das kopernikanische Weltbild bezeichnete er als den »superklugen Einfall eines Narren, der die ganze Kunst astronomiae umkehren wolle«.

Aristoteles mochte er auch nicht. »Was sind die Universitäten [...] darin ein frei Leben geführt wenig der heiligen Schrift und christlicher Glaube gelehrt wird und allein der blinde heidnische Meister Aristoteles regiert [...] Es tut mir weh in meinem Herzen, dass der verdammte, hochmütige, schalkhafte Heide mit seinen falschen Worten so viel der besten Christen verführt und genarrt hat.« etc. (Zitiert nach Störig, S. 288.)


»Ein solch verzweifeltes, durchböstes, durchgiftetes, durchteufeltes Ding ist‘s um diese Juden, [...] unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch sind.« »Wenn ich könnte, wo würde ich ihn niederstrecken und in meinem Zorn mit dem Schwert durchbohren. [...] dass man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecke und was nicht brennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacken davon sehe ewiglich.«



Aus: Martin Luther, Von den Juden und ihren Lügen. [Wenn man an die Seelenwanderung glaubt, könnte man annehmen, dass Dr. Goebbels eine Reinkarnation von Dr. Luther war.]


Gegen die entstehende protestantische Orthodoxie wandte sich eine protestantische Mystik (Jakob Böhme) und später der Pietismus (Ph. J. Spener, Lit. Pia desideria), der das Wesen der Religion im Gefühlserlebnis sieht.


Kritik an Luther

Luther war wie bei Eiferern üblich in vielen seiner Aussagen sowohl was Stil wie Inhalt anbetrifft rigoros und poltelhaft. Viele seiner Aussagen werden auch in der von ihm ausgegangen evangelischen Kirche nicht mehr geteilt. Besonders nicht sein Judenhass.

Luther wandte sich gegen jegliche Zugeständnisse an die Vernunft, an die Wissenschaft, an die Philosophie. Er wollte nicht nur zurück zur »ethischen Reinheit« (?) des Urchristentums, er wollte auch zurück zu dessen Primitivität, zurück zum »Credo quia absurdum est«. Luther ging es nicht etwa um die Freiheit von Lehre und Forschung oder etwa um eine von christlicher Dogmatik freie Bildung. Ihn interessierte nur die Freiheit der Forschung in der »Schrift«. Auf sonstige Freiheit legte er keinen Wert.


Weitere bedeutende Reformatoren


Der Streit zwischen den verschiedenen Richtungen der Reformation lässt sich u. a. anhand der Abendmahlslehre aufzeigen: Die Katholische Kirche behauptete (und tut dies bis heute) das sich beim Abendmahl (das sie Eucharistie nennt) Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi verwandelt, und zwar nicht im übertragenen Sinne, sondern tatsächlich (Transsubstantiation). [2] Luther lehnte diese Auffassung ab, lehrte aber die Gegenwart Christi in Brot und Wein (Konsubstantiation, Realpräsens.). Calvin sagte, der heilige Geist erzeuge die Realpräsens Christi nur in Brot und Wein, wenn dieses gläubig empfangen werden. Zwingli fasste die Gegenwart Christi in Brot und Wein lediglich symbolisch auf.


Anmerkungen

Anm. 1: Luther litt nicht nur unter Schuldkomplexen, sondern auch unter Verstopfung. Er verbrachte viele Stunden des Tages auf dem Clo. (Das ist kein Scherz. Das lässt sich aus diversen Berichten entnehmen. Folgendes ist aber halb scherzhaft, halb ernst.) Und als er da so saß und drückte, und drückte und es ging nicht, da hat er sich irgendwann gesagt: »Hör auf, dich anzustrengen, mache gar nichts mehr, glaube nur daran, dass es geht.« Und dann ging es (irgendwann.) Und da hat Luther sich gesagt: »Aha! Der Glaube ist das Entscheidende! Nicht die Taten!« Und spaltete die Kirche. (Man mag es kaum glauben, aber weltgeschichtliche Ereignisse habe häufig sehr banale Ursachen ;-) per-fide? Oder per fidem? Zurück zum Text

Anm. 2: Beim heutigen Stand von Wissenschaft und Technik könnte man einen genetischen Fingerabdruck erstellen. Damit ließe sich gleich noch die Echtheit bestimmter Reliquien feststellen. Der ehemalige Papst Benedikt XVI: nutzt die  Quantenphysik, um die Dreieinigkeit Gottes zu erklären. Weshalb also nicht die Genetik als Stütze für andere Glaubensbestandteile? Zurück zum Text


Zur philolex-Startseite


Copyright © by Peter Möller, Berlin.