Ontologie


Ontologie kurz und knapp

Ontologie (von den griechischen Worten on und logos) ist die Lehre vom Sein, bzw. von den grundsätzlichsten, allgemeinsten, elementarsten, fundamentalen und konstitutiven Eigenschaften, den Prinzipien, den grundsätzlichsten Wesens-, Ordnungs- und Begriffsbestimmungen des Seins.

Die Ontologie ist ein wichtiger Teilbereich der Philosophie. Da er sich mit dem Grundsätzlichsten des Seins beschäftigt, das nicht den Sinnen zugänglich ist, überschneidet er sich häufig mit der Metaphysik oder wird mit ihr gleichgesetzt. Für viele Philosophen ist Ontologie (und Metaphysik) der Kernbereich oder die Anfangsgründe der Philosophie, andere Philosophen bestreiten die Möglichkeit von Ontologie. Zuweilen werden Ontologie und Philosophie sogar als identisch angesehen. (Für Heidegger war die Frage nach dem Sein, »die einzige Frage der Philosophie.«) [Tatsächlich ist Philosophie aber erheblich mehr.]


Ontologie bei verschiedenen Philosophen

Verschiedene Philosophen haben nicht nur unterschiedliche Antworten darauf gegeben, wie das Sein im Grundsätzlichen beschaffen sei (oder ob das überhaupt erkennbar ist), sie haben auch den Begriff Ontologie unterschiedlich verwendet. (Obige Definition wird also nicht von allen geteilt, bzw. ist nicht auf jeden Philosophen anwendbar. [1])

Obwohl der Begriff Ontologie erst zu Beginn der Neuzeit aufgekommen ist, gab es schon in der Antike ontologisches Denken. Das Bemühen vieler Vorsokratiker, einen Urstoff oder ein Urprinzip der Welt zu finden, war ontologisch.  Parmenides' Aussage, das Sein sei unbewegt und  Heraklits Aussage, das Sein sei eine ewige Bewegung, waren ontologische Aussagen.

Für Platon war das Sein primär bzw. ausschließlich ideales Sein. (Er wird unterschiedlich interpretiert.) Seine Ideenlehre ist Ontologie.

Ein wichtiger ontologischer Denker war der antike Philosoph Aristoteles, der das ontologische Denken bis in die Neuzeit hinein (bis Kant) maßgeblich beeinflusste. Für ihn gab es eine »Erste Philosophie«, die später Metaphysik genannt wurde, die das Sein als solches, als Ganzes betrachtet. Aristoteles fragte aber auch nach dem Sein der einzelnen Dinge und versuchte Allgemeingültiges zu finden. Was muss immer da sein, damit ein Seiendes sein kann? Das war für ihn u. a. die Substanz und die  Ursache. Alles was ist, sei durch etwas verursacht. Das führte Aristoteles zu der Frage nach einer ersten Ursache, nach einem höchsten Seienden, das seine Ursache in sich selbst habe. Dieses höchste Seiende war für ihn Gott. So wurde bei Aristoteles die Frage nach dem Sein verbunden mit der Frage nach dem höchsten Sein, nach Gott. Deshalb war bei ihm Ontologie und Theologie identisch. [2]

Diese Auffassung hat die christliche Philosophie des Mittelalter dankbar übernommen. Auch bei ihr war die Lehre von Sein mit der Lehre von Gott verbunden. (Thomas von Aquin, Scholastik)

Für den deutschen Philosophen  Wolff, einem Vertreter der Aufklärung war Ontologie der erste Teil der Metaphysik, die allgemeine Metaphysik (metaphysica generalis). Die spezielle Metaphysik (metaphysica specialis) beschäftigt sich nach Wolff mit speziellen Teilen des Seins: Gott, Seele und Welt.

Eine gründliche Abkehr von der bisherigen Ontologie vollzog Kant. Für ihn war Ontologie das System seiner  Kategorien und da diese sich nur auf das von uns Erfahrbare beziehen würden, sagten sie nichts über das vom Menschen unabhängig existierende Sein.

Nachdem Kant die Unmöglichkeit einer Ontologie im herkömmlichen Sinne bewiesen zu haben glaubte, versuchten einige Philosophen im 19. Jahrhundert auf  induktivem Weg eine Metaphysik, bzw. Ontologie zu begründen. (Fechner, Lotze.)

Für Hegel, der den Kritizismus Kants völlig wieder aufgab, ist Ontologie Logik und Metaphysik, was verständlich ist, wenn man weiß, dass bei Hegel der Logos, die Weltvernunft, bzw. der  »Weltgeist« das Grundsätzlichste des Seins ausmacht.

Im Neukantianismus und  Neopositivismus wird die Möglichkeit von Ontologie bestritten.

Husserl glaubte auf Basis seiner phänomenologischen Wesensschau eine Ontologie begründen zu können, die er in die formale und die materiale, bzw. regionale Ontologie teilt. Erstere beschäftige sich mit den allgemeinen Zügen von jeglichem Seienden, die zweite mit den verschiedenen Arten von Seiendem. Diese verschiedenen Arten hätten unterschiedliche ontologische Niveaus. Dieser Gedanke hat auch außerhalb der Phänomenologie Anhänger gefunden.

Ein bedeutender ontologischer Denker in jüngerer Zeit war Heidegger. In seine Hauptwerk Sein und Zeit untersuchte er das Sein des Menschen. Diese Untersuchung nannte er »Fundamentalontologie«. Für ihn gab es einen Unterschied zwischen Sein und Seiendem. Diesen nannte er  »ontologische Differenz«. Sein war für Heidegger ein Ereignis, nichts statisches, weshalb er auch von der Zeitlichkeit des Seins ausging. (Für  Platon und  Aristoteles war Sein dagegen gerade etwas Unveränderliches.)

Ein weiterer bedeutender ontologischer Denker in jüngeren Zeit war Sartre. In seinem Hauptwerk  Das Sein und das Nichts teilte er das Sein in zwei verschiedene Bereiche, in das »Für-sich-sein« des Menschen, das durch Bewusstsein ausgezeichnet sei, und das »An-sich-sein« der Dinge, das bewusstlos und vom Bewusstsein unabhängig sei.

Ein weiterer leider nicht mehr so präsenter ontologischer Denker in jüngerer Zeit war Nicolai Hartmann. Für ihn war Ontologie wieder die Lehre von den allgemeinsten Prinzipien des Seins. Nach ihm hatte sich die Philosophie bisher aber immer nur mit idealen Wesensheiten beschäftigt. Er bezog auch die materielle Seite ein, entwickelte eine Schichtenontologie und gab 24 Urkategorien an, die auf allen Ebenen des Seins gelten würden.

Eine Schichtenontologie und Kategorienlehre entwickelte auch der englische Philosoph Samuel Alexander. Er ging davon aus, dass im weiterem Verlaufe der Entwicklung auch noch höhere Seinsschichten entstehen könnten, die es heute noch nicht gibt. [3]

Eine Ontologie, die aber keine Stufenfolge kennt, entwickelte der englische Philosoph Alfred North Whitehead.

Letztere drei Philosophen (Hartmann, Alexander, Whitehead) werden in der Literatur unter dem Oberbegriff »Neue Metaphysik« oder »Neue Ontologie« zusammengefasst.


Zitate zu Ontologie

Gregory Bateson: »In der Naturgeschichte des lebenden Menschen können Erkenntnistheorie und Ontologie nicht voneinander getrennt werden.«

Heinz von Foerster: »Ontologie erklärt die Beschaffenheit der Welt; Epistemologie erklärt die Beschaffenheit unserer Erfahrung von dieser Welt.«

Kant: »Der stolze Name einer Ontologie, welche sich anmaßt, von Dingen überhaupt synthetische Erkenntnisse a priori in einer systematischen Doktrin zu geben [...] muss dem bescheidenen, einer bloßen Analytik des reinen Verstandes, Platz machen.« »Die Ontologie ist diejenige Wissenschaft (als Teil der Metaphysik), welche ein System aller Verstandesbegriffe und Grundsätze, aber nur sofern sie auf Gegenstände gehen, welche den Sinnen gegeben und also durch Erfahrung belegt werden können, ausmacht, Sie berührt nicht das Übersinnliche, welches doch der Endzweck der Metaphysik ist, gehört also zu dieser nur als Propädeutik, als die Halle oder der Vorhof der eigentlichen Metaphysik, und wird Transzendentalphilosophie genannt, weil sie die Bedingungen und ersten Elemente aller unserer Erkenntnis a priori enthält.«


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Anmerkungen

Anm. 1: Dass es keine einheitliche Fachsprache in der Philosophie gibt, habe ich in der Einleitung zum philolex, dort in der  Anm. 1, näher ausgeführt. Zurück zum Text

Anm. 2: Ob wirklich alles, was ist, eine Ursache haben muss, ist inzwischen in der Philosophie heftig umstritten. Nach Kant tragen wir Menschen die Kausalität mit unserem Denken in die Welt. Unabhängig davon sei dort keine. Im philolex-Beitrag Willensfreiheit, habe ich mich mit der Kausalität im Zusammenhang mit der Frage nach der menschlichen Willensfreiheit näher auseinandergesetzt. Zurück zum Text

Anm. 3: Samuel Alexander ist einer der Philosophen, die mich dazu angeregt haben, meine Auffassung Über die Notwendigkeit der Entstehung höherer Arten und damit Höherer Seinsschichten zu entwickeln. Zurück zum Text


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