Alfred North Whitehead


Whitehead kurz und knapp

Alfred North Whitehead, (1861–1947) war ein englischer Mathematiker, Logiker, Physiker und Philosoph. Professor in London und Harvard. Lehrte bis zu seinem 63. Lebensjahr Mathematik. Danach Philosophie. Wird der »Neuen Metaphysik«, bzw. der »Neuen Ontologie« zugerechnet.

Trotz seiner großen Kenntnisse in den Bereichen der Mathematik und Naturwissenschaft war Whitehead kein Scientist. Der Naturwissenschaft liege eine Abstraktion zugrunde. Weil sie etwas scharf sehen wolle, blende sie vieles aus. [Was leider viele (nur) naturwissenschaftlich-technisch denkende Menschen nicht bemerken und oft auch nicht wahr haben wollen.] Die Philosophie solle diese Abstraktion bewusst machen und Wirklichkeitkeitsbereiche aufdecken, mit denen sich die Naturwissenschaft nicht beschäftigt, die sie mit ihren Methoden gar nicht erforschen kann. Dazu gehört nach Whitehead z. B. die Kunst, religiöse Gefühle und Intuition.

Die bisherige Philosophie habe den Fehler gemacht, die Wirklichkeit mit allgemeinen Kategorien erfassen zu wollen, wie Subjekt und Objekt, Substanz und Qualität usw. Dies sei aus zwei Gründen verkehrt:

Whitehead glaubte, diese Fehler früherer philosophischer Systeme zu vermeiden, indem er die einzelnen Bestandteile des Seins als events verstand. Ein whiteheadsches event kann man sich vorstellen als eine Mischung aus  Leibnizscher Monade und  buddhistischem Dharma.

Jedes event umfasse in gewisser Weise das gesamte Universum:

Vergänglichkeit: Ein event sei nichts Dauerhaftes, sondern nur ein Pulsschlag des Seins. Es werde aber zugleich mit seinem Vergehen unsterblich, durch sein Weiterwirken in den nachfolgenden events.

Alle Dinge, Lebewesen usw. seien nach einer bestimmten Ordnung aus einzelnen events zusammengesetzt. [Ist der Mensch nach Whitehead ein event oder eine Summe von events? Dialektisch betrachtet ist er beides.]

Bewusstsein bedeute, dass ein event in einem anderen event vorhanden sei. Erkenntnis sei die unmittelbare Beziehung zwischen Erkennendem und Erkannten. [Also kein Erkenntnispessimismus, sondern  Korrespondenztheorie der Wahrheit. Bis zu dieser Aussage konnte man das whiteheadsches event noch subjektivistisch deuten. Spätestens mit dieser Aussage wird seine Philosophie objektivistisch.]

Die Welt sei beherrscht von logischen Gesetzen und ästhetischer Harmonie.

Wenn ein event nicht zufällig auftrete, sondern begründet, dann setze dies drei Bedingungen voraus:

  1. Possibility: Was wirklich sei, müsse möglich sein. Es müsse eine reine objektive Möglichkeit geben, ewige Objekte. Das seien die  platonischen Ideen.
  2. Creativity: Es müsse einen blinden schöpferischen Drang geben. (Der Weltwille  Schopenhauers, der Lebensschwung  Bergsons.)
  3. Limitation: Damit aus dem uferlosen, unbestimmten, fließenden Werden ein konkretes event entstehen könne, sei ein Prinzip der Begrenzung nötig. Dieses Prinzip sei Gott. [Ist es nicht sinnvoller, statt Limitation von Weltvernunft zu sprechen? Oder vom Weltgeist?]

Jedes event sei deshalb in einem noch höherem Sinne als oben beschrieben eine Synthese des ganzen Universums:

Im Unterschied zu  Samuel Alexander und  Nicolai Hartmann gibt es bei Whitehead keine Stufenfolge des Seins, keine Qualitäten, die nur auf bestimmten Stufen gelten. Das führt dazu, dass z. B. ein Atom und ein viel komplexeres Gebilde wie die menschliche Gesellschaft gleichermaßen ein event sind und mit den gleichen Prinzipien erklärt werden. [Und das geht natürlich nicht an.]


Zitate Whiteheads

»Dass die   Bibel keine Spur von Humor enthält, ist eine der merkwürdigsten Tatsachen der ganzen Literatur.« [Es ist bezeichnend für dieses Buch und für das ganze Christentum!]

»Suche das Einfache und misstraue ihm.«

»Ideen halten sich nicht. Es muss etwas mit ihnen getan werden .«

»Von Ideen kann man nicht leben: man muss etwas mit ihnen anfangen.«

»Jeder Mensch hat eine kompliziertere Struktur als die Gesellschaft, der er angehört.«

»Die Hauptgefahr für die Philosophie ist Enge in der Auswahl des Anschauungsmaterials.«

»Die sicherste allgemeine Charakterisierung der philosophischen Tradition Europas lautet, dass sie aus einer Reihe von Fußnoten zu Platon besteht.« [Das ist sie glücklicher Weise nicht nur.]

»Religion wird ihre alte Macht nicht wiedergewinnen, bis sie Änderungen ebenso ins Gesicht sehen kann wie die Wissenschaft.« [Das kann sie nicht! Sie wird ihre alte Macht nicht zurückgewinnen.]

»Wissen hält nicht länger als Fisch.« [Doch ;-) Ein bisschen länger schon. Es gibt ja auch Kühlschränke. Bezogen auf Wissen heißen diese »Bibliotheken«. Neuerdings auch »Server«. Der Begriff Wissen ist mehrdeutig.]

»Die Hauptfortschritte der Zivilisation sind Vorgänge, welche die Kulturen, in denen sie stattfinden, fast zugrunde richten.«


Kritik an Whitehead

Das Verhältnis von Subjekt und Objekt, Bewusstsein und Gegenstand, Teil und Ganzem, Vergänglichem und Dauerhaftem usw. ist ein dialektisches. Man kann diese Gegensatzpaare als Einheit oder als Getrenntes betrachten. Keine Betrachtung ist wahrer als die andere. Wenn man versucht eine Betrachtungsweise gegen die andere als allein wahr durchzusetzen, kommt man in Teufels Küche. Ich weiß nicht, in welchem Umfang Whitehead Hegel kannte und was er von ihm hielt. Aber ich habe den Eindruck, dass er sich mit vielen Problemen beschäftigt, die seit der Entstehung der hegelschen Dialektik keine Probleme mehr sein sollten.


Literatur



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